Carol Kaye – E-Bass-Pionierin und Studio-Legende

 

Carol im Studio 1974, Foto: David Zaworsk

Bekannt, aber doch unbekannt. Carol Kaye spielte in den 50ern bis in die 70er Jahre so ziemlich jede „bass line“ ein, die sie in die Finger bekommen konnte. Heute kennt man sie als „The First Lady on Bass“. 

Was man über Studiomusiker im Allgemeinen weiß ist, dass man nichts über sie weiß. Ganz ehrlich, selbst wenn es mal soweit kommt, dass man sich die Credits eines Albums ansieht… wer kann bzw. will sich schon die Namen der Studiomusiker merken, geschweige denn mehr über ihr Leben und musikalisches Schaffen erfahren? Schade eigentlich finde ich. Denn spätestens seit ich einmal zufällig einem Seminar über Jazzgeschichte lauschen durfte, weiß ich, die Leute die im Hintergrund agieren haben meist genauso interessante und tolle Lebensgeschichten wie die Künstler, die in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit stehen.

Zwischen Jazzclubs und Büroalltag

Carol an der Gitarre

Carol Kayes Geschichte ist eine außergwöhnliche in jeder Hinsicht. Als Tochter einer Ragtime-Pianistin und eines Posaunisten ist natürlich bereits der genetische Grundstein für eine Musiker-Karriere gelegt. Trotzdem ist ihr Weg ein steiniger. Ihre Eltern trennen sich, sie bleibt bei der wenig vermögenden Mutter und muss schon im Alter von 14 Jahren zusehen, dass sie ihre Gitarrenstunden selbst bezahlt. Ihr Lehrer erkennt das Talent und eröffnet ihr ein Tor in die Welt des Jazz. Innerhalb kürzester Zeit spielt sie die heißesten Gigs in L.A. und macht zum ersten Mal die Erfahrung, dass es sich lohnen kann Geld mit Musik zu verdienen. Das Ersparte investiert sie in eine Gibson Super 400, bis heute produziert und legendär unter Gitarristen.

Ihr privates Leben verlief derweil nicht so schnurgerade wie ihre musikalische Karriere. Ihre Ehe mit dem Bassisten Al Kaye aus der zwei Kinder hervorgegangen waren scheiterte. Um die Kinder allein versorgen zu können, musste sie einen regulären Bürojob annehmen. Trotzdem konnte sie die Musik nicht aufgeben und so spielte sie Nachts weiterhin Gigs in den Jazzclubs der Stadt. Selbst für heutige Frauen scheint das ein riesiger Spagat zwischen der Mutterrolle, den Aufgaben als Versorgerin und der Selbstverwirklichung zu sein.

Karriere als Studiomusikerin

Carol spielte also bis zu sechs Mal in der Woche ihren geliebten Jazz und sie spielte so gut, dass ihr Name in der Szene immer mehr an Bedeutung gewann. Doch als Ende der 50er Jahre der Rock’n Roll immer populärer wurde und die Zahl der Jazzclubs langsam abzunehmen begann, war es höchste Zeit für eine Veränderung. Wie der Zufall es wollte, kam der Musikproduzent Bumps Blackwell nach einem ihrer Gigs auf sie zu. Das war der große Wendepunkt in ihrem Leben, denn ab nun verdiente sie ihr Geld im Studio und musste nicht mehr zusätzlich im Büro arbeiten. Allerdings hatte diese Sicherheit auch ihren Preis. Denn in Jazz-Kreisen war es mehr als verpönt, populäre Musik im Studio einzuspielen. Ihre Karriere als etablierte und akzeptierte Jazzgitarristin war damit so gut wie beendet.

 

Eine Lady am E-Bass

Bei ihrer ersten Session spielte sie für keinen geringeren als Sam Cooke den Gershwin Klassiker Summertime ein und es folgten viele andere. Zum Bass kam sie 1963 bei einer Session in der der Bassist fehlte. Aus der Not heraus sprang sie für ihn ein und sollte von diesem Tag an beim Bass bleiben. Sie spielte nicht einfach nur Bass, sondern sie erfand die Art den E-Bass, der erst 1951 in Serienproduktion gegangen war, zu spielen neu und setzte die uns heute bekannten Maßstäbe. Anstatt wie damals üblich mit den Fingern zu spielen, benutze sie stets ein Plektrum. Plötzlich war die Basslinie nicht mehr nur ein Gefühl irgendwo in der Magengegend, sondern man konnte coolen Basslicks eine eigene Bühne zugestehen. Es entstand eine Transparenz die man zuvor noch nicht kannte.

Hey, that’s pretty good for a woman!

Carol Kaye hat sehr hart gearbeitet für ihren Erfolg und sie hat großartiges an Gitarre und Bass geleistet. Bedenkt man, dass es damals nicht normal war, dass eine Frau Teil der Rhythmusgruppe war, dann erscheint ihre Karriere noch unglaublicher. Tatsächlich war sie in der legendären Wrecking Crew, ein Zusammenschluss der damals besten Sessionmusiker, das einzig weibliche Mitglied und laut eigener Aussage musste sie sich schon mal Sprüche wie “Hey, that’s pretty good for a woman” anhören. Trotzdem ist sie bis heute, mit mehr als 10.000 Aufnahmen auf denen sie zu hören ist, die produktivste Sessionmusikerin. Darunter sind Aufnahmen für Größen wie: Beach Boys, Ray Charles, Nancy Sinatra, Sam Cooke, Henry Mancini, Joe Cocker, Ike &Tina Turner, Simon & Garfunkel, Frank Zappa usw….


Auf Spotify gibt es hier eine tolle Playlist mit einigen der Songs bei denen sie den Basspart eingespielt hat. Folgende Seiten habe ich bei meiner Recherche verwendet:

 

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